Eine Umsetzung der genannten Verordnungen in nationales Recht ist nicht erforderlich, da diese mit Inkrafttreten der entsprechenden Beschlüsse des gemeinsamen EWR-Ausschusses zur Übernahme in das EWR-Abkommen in Liechtenstein unmittelbar gelten. Im nationalen Recht sind lediglich ergänzende Vorschriften betreffend die zuständige Behörde und ihre Befugnisse sowie Strafbestimmungen und Regelungen über die Einhaltung der SSR zu erlassen. Zu diesem Zweck wurde in Liechtenstein das EWR-Leerverkaufsverordnung-Durchführungsgesetz (EWR-LVDG) erlassen. Dieses Gesetz trat gleichzeitig mit dem Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 236/2012 mit 1. Februar 2017 in Kraft.
Leerverkauf
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Was regelt die Leerverkaufsregulierung (Short Selling)?
Ein „Leerverkauf“ im Zusammenhang mit Aktien oder Schuldinstrumenten ist ein Verkauf von Aktien oder Schuldinstrumenten, die sich zum Zeitpunkt des Eingehens der Verkaufsvereinbarung nicht im Eigentum des Verkäufers befinden.
Im Zuge der Finanzkrise im September 2008 haben die zuständigen Behörden in mehreren Mitgliedstaaten und die Aufsichtsstellen in Drittländern wie den Vereinigten Staaten von Amerika und Japan ausserordentliche Massnahmen vorgenommen, um den Leerverkauf bestimmter oder sämtlicher Wertpapiere zu beschränken oder zu verbieten. Anlass hierfür waren Bedenken, dass Leerverkäufe in Zeiten beträchtlicher finanzieller Instabilität die Abwärtsspirale der Aktienkurse verstärken könnten, insbesondere bei Finanztiteln, wodurch schliesslich die Lebensfähigkeit der Finanzinstitute bedroht würde und systemische Risiken entstehen könnten. Mangels eines einheitlichen Regulierungsrahmens im EWR bezüglich der Behandlung von Aspekten im Zusammenhang mit Leerverkäufen, fielen diese Massnahmen jedoch sehr unterschiedlich aus.
Aufgrund dessen wurden in der EU entsprechende Harmonisierungsmassnahmen erlassen. Diese sollen das ordnungsgemässe Funktionieren des Binnenmarkts, insbesondere in Bezug auf die Finanzmärkte, sicherstellen sowie ein hohes Mass an Verbraucher- und Anlegerschutz gewährleisten.
Seit 1. November 2012 gilt die EU-Verordnung Nr. 236/2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Credit Default Swaps (SSR).
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Welche Ziele verfolgt die Leerverkaufsregulierung und wer ist davon betroffen?
Die europäische Leerverkaufsregulierung (SSR) beruht im Wesentlichen auf zwei Säulen:
- Verbotsregelungen für ungedeckte Leerverkäufe in Aktien und öffentlichen Schuldtiteln sowie ungedeckten Credit Default Swaps (CDS) auf öffentliche Schuldtitel (Artikel 12 ff. SSR),
- Transparenzregelungen für Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien, öffentlichen Schuldtiteln und gegebenenfalls CDS (Artikel 5 ff. SSR).
Ein ungedeckter Leerverkauf (engl. naked short selling) liegt vor, wenn sich der Verkäufer des Finanzinstruments im Verkaufszeitpunkt noch kein Eigentum am leer verkauften Finanzinstrument verschafft oder einen Anspruch auf Eigentumsübertrag hat. Bis zur Erfüllung des Geschäfts muss der Leerverkäufer jedoch das Finanzinstrument beschafft haben. Demgegenüber spricht man von einem gedeckten Leerverkauf, wenn sich der Leerverkäufer im Verkaufszeitpunkt Eigentumsrechte am leer verkauften Finanzinstrument gesichert hat.
Leerverkäufe nach der SSR können von natürlichen als auch juristischen Personen im Inland wie auch in Drittländern durchgeführt werden. Dabei spielt der Ort des jeweiligen Geschäftsabschlusses ebenso wenig eine Rolle wie die Nationalität der Beteiligten oder ihr Sitz. Zudem finden einige Vorschriften der SSR auf alle Finanzinstrumente Anwendung (vgl. Art. 1 Abs. 2 der Verordnung).
Sowohl von den Verboten als auch den Transparenzanforderungen gibt es Ausnahmen für Tätigkeiten von Market-Makern und Primärhändlern.
Die Verordnung findet gem. Art. 1 Anwendung auf:
a) Finanzinstrumente im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Bst. a, die zum Handel an einem Handelsplatz in der Union zugelassen sind, auch wenn diese Finanzinstrumente ausserhalb eines Handelsplatzes gehandelt werden;
b) Derivate gemäss Anhang I Abschnitt C Nummer 4 bis 10 der Richtlinie 2004/39/EG, die sich auf ein unter Buchstabe a genanntes Finanzinstrument oder den Emittenten eines solchen Finanzinstruments beziehen, einschliesslich derartiger derivativer Instrumente, wenn diese ausserhalb eines Handelsplatzes gehandelt werden;
c) Schuldinstrumente, die von einem Mitgliedstaat oder von der Union begeben werden, und Derivate gemäss Anhang I Abschnitt C Nummer 4 bis 10 der Richtlinie 2004/39/EG, die mit von einem Mitgliedstaat oder der Union begebenen Schuldinstrumenten verbunden sind oder sich auf solche beziehen.
Gemäss Abs. 2 gelten die Art. 18, 20 und 23 bis 30 für alle Finanzinstrumente im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Bst. a.
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Wie findet die Leerverkaufsregulierung in Liechtenstein Anwendung?