Brexit: Informationen für Finanzintermediäre
Das Vereinigte Königreich (UK) trat per 31. Januar 2020 aus der Europäischen Union (EU) aus. Die EU und UK verhandelten ein umfassendes Austrittsabkommen, um die Modalitäten des Austritts zu regeln. Mit dem Austritt aus der EU hat UK auch den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) – und damit die wesentliche Grundlage für die (wirtschaftlichen) Beziehungen zwischen Liechtenstein und UK – verlassen. Gemeinsam mit den EWR/EFTA-Staaten Norwegen und Island verhandelte Liechtenstein mit UK ein Austrittsabkommen, welches inhaltlich das Austrittsabkommen zwischen EU und UK weitgehend spiegelt. Die zwischen der EU und UK vereinbarte Übergangsphase bis Ende 2020 fand auch im Verhältnis Liechtenstein-UK Anwendung und gewährte UK faktisch weiterhin den Status eines Mitgliedstaats des EWR. Per 1. Januar 2021 endete diese Übergangsphase und UK gilt somit als Drittstaat.
Das zwischen der EU und UK erzielte Handelsabkommen hat seit 1. Januar 2021 Geltung (zwischen der EU und UK). Das Abkommen regelt v.a. den Warenhandel sowie die zukünftige Zusammenarbeit zwischen der EU und UK. Es enthält zudem Mechanismen für die Streitbeilegung. Das Abkommen regelt einzelne Aspekte jedoch nur bruchstückhaft, insbesondere die Thematik Finanzdienstleistungen. Diesbezüglich wurde die Beantwortung wesentlicher Fragestellungen in die Zukunft verschoben. Absehbar ist jedoch, dass die bilateralen Beziehungen im Kontext der Finanzdienstleistungen in Zukunft im Wesentlichen auf dem Grundsatz der Äquivalenz/Gleichwertigkeit stattfinden sollen. Auf EU-Seite sind jedoch noch zahlreiche Gleichwertigkeitsentscheidungen in Bezug auf UK-Finanzintermediäre ausstehend. Des Weiteren wurde vereinbart, dass man zeitnah ein Memorandum of Understanding zur künftigen Zusammenarbeit im Bereich der Finanzaufsicht anstrebt. Der Annex des Abkommens enthält zudem eine Deklaration, welche den engen Austausch zwischen den jeweiligen Finanzaufsichtsbehörden vorsieht.
Seit dem 1. Januar 2021 haben die britischen Finanzdienstleister somit jedenfalls ihre Passporting-Rechte verloren, i.e. ihren automatischen Marktzugang in den EWR. UK-Finanzdienstleister gelten als Finanzdienstleister aus einem Drittstaat. In Liechtenstein gelangen in Bezug auf UK-Finanzintermediäre die entsprechenden Drittstaatsbestimmungen in den Spezialgesetzen zur Anwendung.
Liechtenstein verhandelte gemeinsam mit den EWR/EFTA-Staaten Norwegen und Island ein eigenes Handelsabkommen mit UK. Dieses wurde am 8. Juli 2021 unterzeichnet, am 17. Dezember 2021 im Liechtensteinischen Landesgesetzblatt kundgemacht und findet seit 1. Januar 2022 Anwendung. Der Text des Abkommens kann auf gesetze.li abgerufen werden. In Bezug auf Finanzdienstleistungen betont das Abkommen insbesondere, dass Island, Liechtenstein und Norwegen ihre Verpflichtungen vorbehaltlich der geltenden aufsichtsrechtlichen Regelungen des EWR-Abkommens und des daraus abgeleiteten einschlägigen nationalen Rechts eingehen, einschliesslich der von der Europäischen Kommission erlassenen und in das EWR‐Abkommen aufgenommenen Drittlandsbestimmungen und Gleichwertigkeitsbeschlüsse. Für weitere Informationen wird auf die entsprechende Webseite des Amts für Auswärtige Angelegenheiten verwiesen (siehe sogleich unten). Der zukünftige Warenhandel zwischen Liechtenstein und UK ist bereits durch ein entsprechendes Abkommen zwischen UK und der Schweiz abgedeckt (aufgrund der Zollunion mit der Schweiz).
Die FMA begleitete die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem geplanten Austritt von UK aus der Europäischen Union im Rahmen ihrer Zuständigkeit, um den liechtensteinischen Finanzplatz sowie die liechtensteinischen Finanzintermediäre bei deren Brexit-Vorbereitungen zu unterstützen. Dies geschah in enger Abstimmung mit dem Amt für Auswärtige Angelegenheiten, der Stabsstelle EWR sowie dem Ministerium für Präsidiales und Finanzen. Zudem leistete das EFTA-Sekretariat wichtige Koordinationsarbeiten, um die Aktivitäten der EWR/EFTA-Staaten untereinander sowie mit der EU abzustimmen. Auch vonseiten der Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) wurden Massnahmen gesetzt, um sich auf die Situation nach dem Brexit einzustellen.
Zudem verhandelten die ESAs mit den britischen Finanzaufsichtsbehörden Memoranda of Understanding, um für das Szenario eines sogenannten „harten“ Brexit vorbereitet zu sein. Die FMA beteiligte sich im Rahmen ihrer Partizipation in den ESAs an diesen multilateralen MoUs (MMoUs).
Die Financial Conduct Authority (FCA) und die Prudential Regulation Authority (PRA) informieren auf ihrer Brexit-Websites über verschiedene Fragen im Kontext des Brexit:
fca.org.uk/brexit
bankofengland.co.uk/eu-withdrawal
Das Temporary Permissions Regime (TPR) ermöglicht EWR-Finanzintermediären die Fortsetzung ihrer Tätigkeiten in UK nach Ablauf der Brexit-Übergangsphase am 31. Dezember 2020. Für Details siehe obenstehende Links zu den Webseiten der UK-Finanzaufsichtsbehörden.
Die britische FCA veröffentlichte am 1. Oktober 2020 zudem ihr Handbuch hinsichtlich der «Temporary Transitional Power (TTP)»: Die TTP gibt der FCA in bestimmten Fällen aufsichtsrechtliche Flexibilität aufgrund des Ablaufs der Brexit-Übergangsphase per Ende des Jahres 2020.
EWR-Finanzintermediäre die nicht am TPR teilnehmen und gleichzeitig ihr bestehendes Geschäft in UK geordnet beenden wollen, werden automatisch in das UK Financial Services Contracts Regime (FSCR) überführt. Mehr Informationen dazu finden sich ebenso auf der FCA-Webseite.
Informationen des Amts für Auswärtige Angelegenheiten
AAA: Zukünftige Beziehungen mit UK
Äquivalenzentscheidungen des Vereinigten Königreichs
Die Regierung des UK informierte am 9. November 2020 darüber, dass UK in Bezug auf zahlreiche Finanzdienstleistungsbereiche Äquivalenzentscheidungen für die EWR-Staaten erlassen wird.
Diese Entscheidungen haben zur Folge, dass für Finanzintermediäre (FIs) aus dem EWR nach Ablauf der Übergangsphase per Ende 2020 bestimmte Erleichterungen im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen in UK gelten. Es ist vorgesehen, dass die derzeit in UK geltenden EU-Regulierungen mittelfristig weiterhin Bestand haben werden (als UK-Recht). Diese Regulierungen beinhalten regelmässig Drittstaatsbestimmungen mit gewissen Erleichterungen für Unternehmen aus Drittstaaten. Diese Erleichterungen sind im Regelfall an Äquivalenzentscheide geknüpft. Es bleibt im Einzelfall zu prüfen, welche Erleichterungen jeweils zu erwarten sind.
Weitere Informationen zu den Äquivalenzentscheiden (HM Treasury):
Information HM Treasury zu Äquivalenzentscheidungen
Information HM Treasury: Guidance Document for the UK’s Equivalence Framework for Financial Services
Die britischen Finanzaufsichtsbehörden FCA und PRA informieren auf ihren Webseiten über die konkreten Auswirkungen dieser Äquivalenzentscheidungen (nach Regulierung gegliedert).
Weitere Informationen finden sich auch auf der Webseite der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden:
European Banking Authority (EBA):
12 October 2017 opinion on the issues of the Brexit for banks and the actions they have to take
25 June 2018 opinion calling institutions to pursue their efforts to prepare and inform their customers
08 October 2019 Communication of the European Banking Authority on the UK withdrawal from the EU
29 July 2020 The EBA calls on financial institutions to finalise preparations for the end of the transitional arrangements between the EU and UK
European Securities and Markets Authority (ESMA):
Die ESMA verfügt über eine eigene Brexit-Rubrik auf ihrer Website. Dort sind alle relevanten Dokumente und Informationen im Zusammenhang mit Fragen zum Brexit abrufbar.
Vorbereitungsmitteilungen der EU-Kommission
Finanzintermediäre können konkrete Anfragen zu aufsichtsrechtlichen Fragestellungen an die jeweils zuständigen Aufsichtsbereiche der FMA übermitteln.